Es weihnachtet in der Schlosskirche von Liebenburg
Von Ulrich Schmalstieg - Erstmalig hatte das Vorbereitungsteam der KulTourZeit in diesem Jahr auch einen Dezember-Termin angeboten. Inhaltlich ging es um „Weihnachtliche Geschichten“ aus dem Braunschweiger Land. Äußerst zahlreich waren die Besucher der Einladung gefolgt, um sich in der Schlosskirche einen Abend der Besinnlichkeit zu gönnen. Viele kamen schon früh, weil sie sich einen guten Paltz ergattern wollten. Das erwies sich schlußendlich auch als klug.
Prof. Gerd Winner hatte Eckhard Schimpf, den in Braunschweig sehr bekannten und geschätzten Journalisten und Geschichten-Erzähler eingeladen. Vor den Altarstufen war ihm eine kleine Lesebühne errichtet worden und im Hintergrund wirkten großformatige Arbeiten Winners mit. Die waren einerseits Reflex auf ein gemeinsames Buchprojekt der Beiden über ihre gemeinsame Heimatstadt Braunschweig, andererseits luden sie zu assoziierendem Schauen zum Thema Gottesburg und Schutzraum, Verschlossenheit und Öffnung ein.
Nach Begrüßung und Hinführung durch Pastor Schmalstieg und Herrn Winner ging Eckhard Schimpf mit den aufmerksam Wartenden ins Gespräch. Er meinte augenzwinkernd, er sei zwar als Lesender angekündigt, dabei erzähle er lieber. Er wolle mal schauen, ob die vor ihm liegenden Geschichten gingen. Wenn nicht, könne er ja einfach weitererzählen. Aber es ging, Eins ins Andere! Von seinem Großvater wusste er zu berichten, dessen Geburt noch in die Jahre des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts zurückreichte. Das Erzählen gehörte damals noch zur gelebten Kultur und wurde auch in seiner Familie intensiv gepflegt.
Die beiden eigentlichen Lesegeschichten spielten beide in den schneereichen Wintern der direkten Nachkriegszeit. In wunderbar poetischer Sprache ließ Schimpf die Schneeflocken tanzen und Eiskristalle an den Scheiben blitzen. Er ließ eine Kutschfahrt von Vienenburg nach Lochtum zum Geburtstagsbesuch um Weihnachten vor unseren Augen erstehen und berichtete, wie er einem Flüchtlingsjungen gleichen Alters, beinahe ohne Schwierigkeit einen gebrauchten, hölzernen und schön bemalten Weihnachtsmann geschenkt hatte.
Die andere Geschichte brachte den Wert einer Armbanduhr in dieser kargen Notzeit an Licht. Ein Junge opferte sein ganzes Erspartes um seiner großen Schwester zu Weihnachten für ihre Mühen um die Familie zu danken. Er hatte sein Auge schon länger auf eine goldene Uhr im Schaufenster eines Uhrengeschäfts geworfen. Ein umgedrehtes Schildchen, das statt des wahren Kaufpreises nun die Listennummer „8“ zeigte hatte ihn ermutigt, den Laden zu betreten. Der wache Verkäufer, der von dem Kaufmotiv des Kindes ganz beglückt war, überließ ihm die Uhr zu einem Bruchteil der nötigen Summe. Am Ende wurde dieser Verkäufer von dem jungen Mädchen zum Heilig-Abend-Essen eingeladen. Denn es wollte sich nun ihrerseits bei dem Verkäufer bedanken. Sie hatte die Uhr zurückgeben wollen, weil sie der Sache nicht ganz traute.
Am Schluss hätte eigentlich nur noch ein Weihnachtslied gefehlt und man hätte zur Bescherung nach Haus gehen können. Aber soweit war es ja noch nicht. Doch Schimpf hatte die Kirche in der vergangenen Stunde in einen Raum der Hoffnung verwandelt. Bei Wasser, Wein und Plätzchen konnte man noch seine Eindrücke austauschen, bevor sich jede und jeder wieder auf den Weg durch den dunkeln regnerischen Abend nach Hause aufmachte.