Im Sinne des Evangeliums unterwegs oder freischwebender Konzern?
Von Marco Koch - So richtig knackig wurde das Dialoggespräch zwischen Bischof Dr. Heiner Wilmer und dem Bundestagsabgeordneten Frank Bsirske beim Jahresempfang des Caritasverbandes für Stadt und Landkreis Goslar e. V. erst am Schluss. Begonnen hatte der Abend damit, dass der Vorsitzende des Verbandes, Christian Sladek, die Gäste begrüßte und Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner das Engagement der Caritas in der Stadt und im Landkreis würdigte.
Daran schloss sich das Gespräch der beiden hochrangigen Gäste an. Im Mittelpunkt standen die Begriffe "Barmherzigkeit" und "Solidarität". Wilmer und Bsirske waren sich über deren Notwendigkeit für die Gesellschaft einig. Unterschiede gab es eher bei der Frage nach der Wertigkeit und der Gewichtung, was manchmal zu einem kleinen Geplänkel zwischen den beiden Gesprächspartnern führte und die Zuhörerinnen und Zuhörer zum Lachen brachte.
Am Schluss stellte Moderator Hans Georg Ruhe dann die Frage, die mich als Mitglied einer kirchlichen Mitarbeitervertretung besonders interessierte: Ist es noch zeitgemäß, dass die Kirchen ein eigenes Arbeitsrecht haben? Die Antwort des Hildesheimer Bischofs, dass es dabei nicht um Sonderrechte oder Privilegien gehe, sondern dass alle Mitarbeitenden in der Caritas und in der Kirche im Dienst an der Botschaft Jesu Christi seien, ihre Sendung also nicht aus sich selbst bezögen, brachte den ehemaligen Gewerkschaftsführer Bsirske auf den Plan. Auf die Aussage des Bischofs "Entweder sind wir im Sinne des Evangeliums unterwegs oder wir sind eben freischwebender Konzern", konterte er mit einem Blick in unser Nachbarland Österreich: "Da beginnt der Dissens. Wir haben ja die Aussage, dass die Kirche und kirchliche Wohlfahrtsorganisationen ihren Sendungsauftrag preisgeben würden, wenn sie sich einem tariflichen Funktionszusammenhang unterordnen würden. Gibt die österreichische katholische Kirche ihren Sendungsauftrag preis, weil sie Tarifverträge abschließt? Gibt die österreichische katholische Kirche ihren Sendungsauftrag preis, weil dort in der Erzdiözese Wien gestreikt werden darf?" Eine Antwort darauf gab er natürlich gleich selbst: "Nein!" Den Hinweis von Bischof Heiner Wilmer, dass in der KODA (Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts) Dienstnehmer und Dienstgeber paritätisch vertreten seien und dort die Angelegenheiten auf Augenhöhe miteinander verhandelt würden und bei Konflikten eine Schlichtungsstelle eingeschaltet werden könne, entkräftete Bsirske damit, dass die Diözesanbischöfe sich letztlich über die dort getroffenen Regelungen hinwegsetzen könnten.
Als es dann noch um die Rolle der Caritas bei den Verhandlungen zu einem allgemeingültigen Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Altenpflege ging, brach Moderator Ruhe das Gespräch mit dem Hinweis ab, dass es nun zu sehr ins Detail ginge. Einerseits schade, aber Recht hatte er damit schon. Und so endete der Dialog damit, dass sich zunächst Bischof Wilmer bei Bsirske und den anderen anwesenden Parlamentariern für ihr Engagement bedankte, wohingegen Bsirske hohen Respekt vor der Arbeit der Bischöfe äußerte.
Im Anschluss an das Dialoggespräch nahmen die anwesenden Gäste die Gelegenheit wahr, sich bei einem leckeren Imbiss über das Gehörte, aber auch über andere Themen auszutauschen. Einen Mitschnitt des Dialoggesprächs können Sie sich auf YouTube anschauen, wenn Sie hier klicken.