Sehnen und suchen
Von Udo Happe - Als langjähriger führender Kopf der Klinikseelsorge der Asklepios-Klinik in Goslar wohl Einigen bereits bekannt, gab sie in ihrem Beitrag denen eine Stimme, die, wie sie eingangs sagte, nicht nur am Rande der Gesellschaft stehen, sondern oft bereits über den sprichwörtlichen Tellerrand gefallen sind.
Hierbei vollzog Frau Schmidt gekonnt den Schulterschluss mit den an den vorhergehenden beiden Adventssonntagen ausgeführten Themen ‚Achtsamkeit‘ und ‚Unterwegs sein‘, in dem sie zuerst das Wort Sehnsucht als solches in seiner vielfältigen Bedeutung veranschaulichte und in der Folge alle drei Begrifflichkeiten in einen Kontext stellte.
Betrachtet man ihrer Ansicht nach nämlich die Sehnsucht vom Wortstamm her, so befinden sich darin
- das Sehnen, wie etwa nach dem, was man vielleicht einmal gekannt, aber auch noch nie erfahren hat,
- das Suchen, etwa nach Liebe, Bestätigung, Anerkennung, Geborgenheit, Sicherheit, …
… und nicht zuletzt …
- die Sucht, die entsteht, wo das beschriebene Sehnen und das Suchen nicht zum Ziel geführt haben.
Hierzu erzählte Frau Schmidt in ungeschminkten Worten aus ihrem Berufsalltag als Krankenschwester in einer Notunterkunft für obdachlose Männer, ihrer Arbeit mit zum größten Teil mehrfach Sucht- und schwer psychisch Erkrankten. Viele dabei erst in ihren Mitdreißigern, aber bereits einer zwanzigjährigen ‚Drogenkarriere‘; Männer also, die schon in Jungen-Jahren unverschuldet an etwas zerbrachen und jetzt versuchen wenigstens den dadurch entstandenen Schmerz zu betäuben und vergessen zu lassen, was sie sehenden Auges an sich selbst nicht aushalten können.
Um den Kreis mit allen Predigtreihenbeiträgen zu schließen, war Frau Schmidts vorläufiges Resümee, dass es kaum Achtsamkeit für diese Menschen gibt, die, aus ihrer Situation heraus, auf der Straße lebend, dauerhaft unterwegs sein müssen und sich tagtäglich in ihrer (Sehn)Sucht selber oft größtes Leid zufügen.
Gemäß des Lesungstextes des 3. Adventssonntages, der da lautete: ‚… der Herr hat mich gesandt um den Armen die frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung.‘ war ihr Appell, nicht nur an die Gottesdienstbesucher, dass wir alle doch wenigstens denen, die zum Überleben unterwegs sind, die Achtsamkeit entgegenbringen, die sich selbst gegenüber in ihrer Sehnsucht verloren haben!
Beim anschließenden Gespräch im Pfarrheim (lieben Dank hierfür den Organisatoren, auch für den bereitgestellten Imbiss) mit ca. 20 Teilnehmer:innen, gab Frau Schmidt dann noch mehr Einblick in ihre Tätigkeit mit Obdach- und Wohnungslosen und beantwortete aufkommende Fragen.
Während Pfarrer Mogge dazu motivierte, Augen und Ohren offenzuhalten, also bereits vorbeugend hilfreich tätig zu sein, ergänzte Frau Schmidt, den akut betroffenen, in der Obdach- und Wohnungslosigkeit lebenden, Menschen, möglichst (vor-)urteilsfrei und barmherzig gegenüberzutreten und auch gerne mal auch nur ein freundlich interessiertes Wort an sie zu richten.
Zum Abschluss der Gesprächsrunde kam noch das Angebot von Frau Schmidt, bei Interesse und auf Wunsch, gerne weitere Vorträge zu diesem sehr komplexen Thema zu halten, etwa zu ‚Frauen (oder alternativ auch Palliativversorgung) in der Obdach- und Wohnungslosigkeit‘.