30. November 2019
Sieben Minuten am bewegungslosen Gepäckband
Gemeindereferent Marco Koch hat sich in seinem Wort zum Sonntag Gedanken über das Warten gemacht.
"Wie konnten auf einem Flughafen in den USA die Beschwerden von Passagieren über zu lange Wartezeiten an der Gepäckausgabe reduziert werden?" Diese Frage wurde neulich in einer Quizsendung gestellt. Zeitmessungen hatten ergeben, dass die Koffer acht Minuten nachdem die Fluggäste das Flugzeug verlassen hatten, auf dem Gepäckband waren. Der Weg zur Gepäckausgabe dauerte eine Minute; die restlichen sieben Minuten mussten die Leute am bewegungslosen Gepäckband warten. Die Lösung war denkbar einfach: Der Weg zur Gepäckausgabe wurde verlängert: Nun waren die Passagiere sieben Minuten unterwegs und warteten eine Minute. Seitdem gibt es keine Beschwerden mehr.
Warten am Gepäckband, warten auf den Zug oder den Bus, warten an der Supermarktkasse, warten auf das Paket oder den Anruf - und immer dieses Gefühl, dass nichts weitergeht. Das ist echt ärgerlich, denn ich könnte in der Zeit doch etwas anderes erledigen. Warten und dabei nichts tun - das ist doch reine Zeitverschwendung: Alles soll schnell gehen, sofort, JETZT!
Und so erlebe ich vielfach auch den Advent: Weihnachtsmärkte öffnen vor dem 1. Advent, in den Kaufhäusern läuft im November "Stille Nacht", statt vom Advent wird von der Weihnachtszeit gesprochen und - wenn es denn einen Stall mit Krippe gibt - dann liegt Jesus schon drin. Das ist nicht Advent, das ist schon ... ja, was eigentlich? Weihnachten?
Adventliches Warten ist für mich ganz anders, als das Warten am Flughafen. Es ist ein Vermissen von etwas, das mir fehlt. Der Advent ist eine Zeit sehnsüchtigen Erwartens. Diese Sehnsucht drückt sich auch im Evangeliumstext des 1. Adventssonntags aus: "Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.", heißt es bei Matthäus (Mt 24,44). Damit gemeint ist nicht sein Kommen am ersten Weihnachtsfest, sondern sein Wiederkommen. Dafür sollen wir uns bereit halten - durch die Art und Weise, wie wir leben. Frère Roger, der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, hat es einmal so gesagt: "Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es."
Der Advent möchte uns immer wieder daran erinnern, dass wir in Erwartung leben. Darum lässt er uns warten, lässt er uns innehalten, gibt er uns die Möglichkeit, uns einen Überblick zu verschaffen, für das, was wirklich wichtig ist. Ich glaube, dass wir Weihnachten ganz anders feiern können, wenn wir den Advent adventus Domini sein lassen: Ankunft des Herrn. Ich glaube, dass Gott dann bei und in uns ankommen kann - Schritt für Schritt. Das wünsche ich mir und das wünsche ich Ihnen für diesen Advent.